Bericht vom Freiburger Institut für Umweltchemie e.V.
Einschätzung der Umweltverträglichkeit für Ölbindemittel aus Maisspindelgranulat
am Beispiel EU-GRITS®
Inhalt
- Original-Bericht und Druckversion als PDF-Dokument
- Auftragsbeschreibung
- Regeln und Kriterien für Ölbindemittel
- Vergleichende Bewertung von Ölbindemitteln aus umweltchemischer Sicht
- Screening-Prüfung von EU-GRITS®
- Zusammenfassende Bewertung
Original-Bericht und Druckversion als PDF-Dokument
Freiburger Bericht im Original (PDF-Dokument / 2 MB) | Bericht als Druckversion (PDF-Dokument / 494 KB) |
Auftragsbeschreibung
Das Freiburger Institut für Umweltchemie wurde mit Schreiben vom 18.6.2007 beauftragt, die aus Maisspindeln hergestellten Granulate der Marke "EU-GRITS®" anhand der Herstellerangaben in Bezug auf ihre Umweltrelevanz einzuschätzen.
Auf eine Eluat- und Funktionsprüfung wurde verzichtet, da diese bereits anderweitig (Prüfzeugnis des MPA-NRW und des Hygiene-Instituts Gelsenkirchen) vorgenommen war und die Herstellerangaben sich als richtig erwiesen hatten.
Bei der Bearbeitung stellte sich allerdings heraus, dass die Bewertung von möglichen Rückständen aus Pflanzenbehandlungsmitteln nicht ganz ohne Bedeutung sind, daher wurde ein Screening-Test auf die wichtigsten Schadstoffklassen anhand von zwei von Herrn v. Haxthausen bereitgestellten Mustern (fein und grob) vorgenommen (dazu siehe unten).
Regeln und Kriterien für Ölbindemittel
Die wesentlichen Kriterien für eine Bewertung von Ölbindemitteln sind in den Veröffentlichungen des Arbeitskreises GMAG (Geräte und Mittel zur Abwehr von Gewässergefährdungen) enthalten. Dieser war bis 2005 ein Teil des inzwischen aufgelösten Beirates Lagerung und Transport wassergefährdender Stoffe (LTwS) beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU), unter Federführung der Bundesanstalt für Gewässerkunde und Beteiligung auch des Umweltbundesamtes (UBA). Die bis heute offiziell maßgebliche Schrift ist die "LTwS-27", erhältlich beim UBA. Ab 2006 wurde GMAG dann als gemeinsamer Ausschuss dem Technischen Hilfswerk und der Vereinigung DWA zugeordnet, die für die Erarbeitung untergesetzlicher Regelungen im Bereich Wasser und Abfall zuständig ist. Der hier Unterzeichnende ist Mitglied des GMAG seit 1991.
GMAG hat als Hauptkriterium für Umweltverträglichkeit die Einhaltung der Eluat-Grenzwerte festgelegt. Diese richten sich - mit wenigen aus dem Arbeitsschutz begründeten Ausnahmen - nach der Überlegung, dass nicht eingesetzt werden darf, was für eine Ablagerung auf Deponien verboten wäre. Dieser Grundsatz ist auch auf europäischer Ebene von der Arbeitsgruppe TC 337 ("Produkte für den Straßen-betriebs- und Winderdienst - Absorptionsmittel zur Anwendung auf Straßen") übernommen worden für die in Vorbereitung befindliche CE-Norm für den Einsatz von Ölbindemitteln auf Straßen (prEN 15366 : 2005 ), unter Bezug der Werte auf die Liste im Anhang der Deponierichtlinie der Europäischen Union.
Alle in der Veröffentlichung LTwS-15 enthaltenen Ölbindemittel erfüllen grundsätzlich diese Mindestanforderungen.
Im GMAG seit längerem in Diskussion ist die Frage, inwieweit weitere Kriterien herangezogen werden sollten, um die Umweltverträglichkeit weiter zu verbessern. Dabei kommt es zu der Schwierigkeit, dass der Einsatzort eine erhebliche Rolle spielt, beispielsweise die Mittel für den Einsatz auf befestigten Industrieböden naturgemäß andere vorrangige Kriterien erfüllen sollten als jene Mittel, die auf natürlichen Böden angewendet werden und dort eventuell nicht vollständig wieder beseitigt werden können, also strengere Kriterien erfüllen sollten als solche, die weit überwiegend ohnehin einer geordneten Entsorgung zugeführt werden.
Weitere Diversifizierungen müssen z.B. vorgenommen werden für den Einsatz auf Gewässern, was für ein Bindemittel Klasse III - wie im Fall des EU-GRITS - nicht weiter beachtlich erscheint. Dagegen kann der Entsorgungsweg für viele Anwender ein wichtiges Kriterium darstellen, z.B. im Fall von Organochlorverbindungen, die sich nicht in erhöhten Eluatwerten äußern (und dann über die genannten Grenzwerte ausgeschlossen würden), aber in der Verbrennung erhebliche Belastungen nach sich ziehen können. Auch mineralische Bindemittel, die chemisch völlig inert sind, können Probleme verursachen, wenn sie z.B. zu Verglasungen in den Kesseln der Verbrennungsanlage beitragen.
Anzumerken ist, dass ein Teil der bislang in den Prüfrichtlinien enthaltenen Kriterien in der Praxis überbewertet wird. Dies betrifft zum einen die Aufnahmekapazität, die ausschließlich zu Zwecken der wirtschaftlichen Vergleichbarkeit aufgenommen wurde, aber häufig nicht mit der real verwendeten Menge korreliert, und schon gar kein Ausschlusskriterium ökologischer Bedeutung darstellt. Zum andern ist die Löslichkeit von organischen Bestandteilen bei Naturstoffen selbstverständlich erheblich, auch dies stellt aber nicht unbedingt ein Ausschlusskriterium dar, weshalb der GMAG eine Überschreitung bei Naturstoffen ausdrücklich zugelassen hat, unter der Auflage beim realen Einsatz zu beachten, dass ein Ablauf in Gewässer mit der Folge einer Eutrophierung verhindert wird.
Wir gehen davon aus, dass die Anwendungsvorschriften des Herstellers beim Einsatz des Materials beachtet werden, und dass zur Beurteilung der Einsatz eines Klasse-III -Ölbindemittels auf natürlichem Boden das ökologisch wesentliche Medium für die Kriterienauswahl darstellt. Wir gehen ferner davon aus, dass der weit überwiegende Anteil des eingesetzten Mittels wieder aufgenommen und einer Verbrennungsanlage im Sinne der TA Siedlungsabfall zugeführt wird, während ein Teil auf dem Boden verbleibt und den natürlichen Abbauprozessen unterworfen wird.
Im Folgenden werden daher die EU-GRITS-Muster anhand ihrer stofflichen Eigenschaften für diesen Einsatzzweck beurteilt. Dies bedeutet, dass als Einzelgesichtspunkte berücksichtigt werden:
- Ökotoxikologische Aspekte der Haupt- und Nebenbestandteile,
- Biologische Abbaubarkeit
- Verhalten in Verbrennungsanlagen,
- Emission von Treibhausgasen,
- Ressourcenverbrauch
Sinnvoll ist eine solche Betrachtung meist nur im Vergleich zu anderen Maßnahmen. Bezüglich des Einsatzes von Tensiden anstelle von Ölbindemitteln haben wir 2002 eine größere Literaturstudie im Auftrag des Umweltbundesamtes erstellt, die bei diesem auch erhältlich ist, und sich auf den Einsatz auf Binnengewässern konzentriert. Für den hier betrachteten Einsatz kann jedoch festgehalten werden, dass ein Tensideinsatz gegen eine Ölverunreinigung auf Naturboden aus ökotoxikologischen Gründen abzulehnen ist. Auch die Alternative, in der Hoffnung auf natürlichen Abbau gar nichts zu unternehmen, ist allenfalls dann gerechtfertigt, wenn es sich um kleinste Mengen (unter 0,1 Liter) in niederster Konzentration handelt.
Vergleichende Bewertung von Ölbindemitteln aus umweltchemischer Sicht
Als alternative Bindemittel kommen die auf dem Markt befindlichen mineralischen Naturstoffe sowie Recycling-Materialien auf verschiedenen Grundlagen in Betracht.
Alle Ölbindemittel zeichnen sich dadurch aus, dass sie einen drohenden Schaden für die Umwelt in den Bereichen Bodenschutz und Bodenökologie bzw. Gewässerschutz und Grundwasserschutz beseitigen helfen. Dadurch werden nicht nur materielle Schäden vermieden, sondern auch Gesundheitsgefahren für Menschen und Tiere abgewendet. Insoweit ist jeder gelungene Bindemitteleinsatz positiv für die Umwelt.
Allerdings werden diese Wirkungen teilweise mit Problemen erkauft, die vermeidbar sind, wenn andere Alternativen in der Summe für den Schutzzweck günstiger wirken.
Am Beispiel der wichtigsten Gruppen von Bindemitteln sei dies - jeweils beschränkt auf exemplarische Gesichtspunkte - erläutert:
Mineralische Naturstoffe: Diese wohl am häufigsten eingesetzte Gruppe (stofflich handelt es sich meist um Kieselgur, Molererde oder Sepiolith) wird - sofern nicht Abfallreste eingesetzt werden können - mit erheblichem fossilem Energieaufwand gewonnen, einige vom Prinzip her mögliche Mittel enthalten auch asbestähnliche Fasern wie Amphibolith oder andere Gefahrstoffe; die Anforderungen des GMAG an Ölbindemittel ebenso wie der europäische Normentwurf schließen daher einen wirksamen Gehalt an Gefahrstoffen aus.
Die Verwendung von mineralischen Recycling-Produkten vermeidet das Problem des energetischen Herstellaufwandes weitgehend, da dieser der ursprünglichen Produktion zuzurechnen ist. Zu dieser Gruppe zählen Bindemittel auf Basis von Gasbetonsteinen oder Hochofenschlacken. Ihr umwelttechnischer Nachteil liegt darin, dass in der TA Siedlungsabfall wie auch in der TA Abfall als normaler Entsorgungsweg für ölhalttige Abfälle mit gutem Grund die Verbrennung vorgesehen ist, in der mineralische Bestandteile nachteilig sind, da sie Energie zur Erhitzung benötigen und zur Verglasung der Kessel beitragen können.
Organische Recycling-Produkte: diese Gruppe ist sehr heterogen, zu ihr gehören beispielsweise Gummi-Recyclate ausAltreifen, die häufig das pflanzen- und fischgiftige Zink freisetzen können und daher nur dort eingesetzt werden sollten, wo ein vollständiges Einsammeln des Einsatzmaterials möglich ist. Problematisch beim eigentlich erwünschten Recycling im Fall von Autoreifen ist auch, dass manche Lkw-Reifen Chlorkautschuk enthalten, was in Abfall-Verbrennungsanlagen neben der bei allen Gummiprodukten kritischen Bildung von Schwefelverbindungen auch zu chlorierten Dibenzodioxinen im Sonderabfall beiträgt. Positiv zu Buche schlägt die Energiebilanz, da für diese Stoffe kein stofflicher Herstellungsaufwand zu rechnen ist.
Eine andere Teilgruppe stellt Recyclingmaterial aus Nebenprodukten der Kunststoffherstellung dar, insbesondere auf Basis von Polystyrol, Polyurethan und Polycarbonat. Die energetische Gutschrift ist grundsätzlich die gleiche wie bei den eigentlichen Recycling-Produkten, in diesen Fällen nicht immer eindeutig, da häufig auch andere Produkte aus ihnen hergestellt werden könnten, was eine energetische Bilanz erschwert. Die Stoffe dieser Gruppe sind meist sehr leicht und daher vorwiegend für den Einsatz auf Gewässern oder bei Regen geeignet, einige neigen zu starker Staubentwicklung und erfordern damit einen erhöhten Arbeitsschutz. Bei anderen - in der Regel nicht die Anforderungen des GMAG erfüllenden - Produkten ist auch mit sauren oder formaldehydhaltigen Eluaten als Folge von Auslaugvorgängen zu rechnen.
Stofflich ähnlich, aber aufgrund der energetisch und rohstofflich aufwendigen Herstellung nicht so günstig in der Ökobilanz zu bewerten sind Bindemittel auf der Basis von Kunststoffen, die eigens für diesen Zweck hergestellt wurden. Wichtigster Vertreter dieser Gruppe ist Polypropylen, das in der Praxis wegen des hohen Preises zumeist nur für Sonderanwendungen - wie saugenden Sperrschläuchen für größere Leckagen - in Betracht kommt.
Biogene Naturstoffe sind als Ölbindemittel vergleichsweise wenig im Einsatz, was hauptsächlich an dem infolge des hohen Arbeitskostenanteils relativ höheren Preis liegen dürfte, da die technische Eignung meist als sehr gut zu bewerten ist.
Die wichtigsten Vertreter sind Bindemittel auf Basis von Rindenabfall, Torf, Hanfschäben und Maiskolbenspindeln.Torfe haben wegen der mit ihrem Abbau verbundenen Naturschutzproblematik und dem hohen Transportaufwand aus meist sehr weit entfernten Abbaugebieten ökologisch betrachtet einen deutlichen Nachteil gegenüber den anderen Stoffen dieser Gruppe, die ausschließlich Nebenprodukte der Landwirtschaft darstellen.
Bei Bindemitteln aus Rinde ist zu beachten, dass sie in der Regel leicht entzündbar sind und dann eine Dochtwirkung entfalten. Außerdem ist aufgefallen, dass einige Importwaren dieser Art Rinden von exotischen Nadelbäumen wie Zypressen oder Thuja enthalten können. In diesen wiederum sind Terpene enthalten, auf die manche Menschen allergisch reagieren; von Pferden ist bekannt, dass sie sich an solchen Rinden sogar vergiften können. Bei Kork als Grundlage kommt es chargenweise zu Vorkommen von PAK (polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffen), die als Pyrolyseprodukte zu den Gefahrstoffen zu rechnen sind. Auch andere künstlich fehlerhaft getrocknete Naturstoffe können diese carcinogenen Bestandteile enthalten.
Die biogenen Naturstoffe sind ansonsten toxikologisch völlig unproblematisch, ausgenommen seltene Verschleppungen von Pestiziden, was für mit Öl behaftetes Material selbstverständlich keine Rolle spielt, da es ohnehin verbrannt werden soll.
Alle Stoffe dieser Gruppe zeigen jedoch ein erhöhtes Auslaugverhalten bezüglich wasserlöslicher organischer Anteile, was bei größerem Einsatz auf Gewässern ökologische Schäden (Eutrophierung) nach sich ziehen könnte. Beim Einsatz auf festem Boden spielt dieser Aspekt keine Rolle, da dort ohnehin große Mengen vergleichbarer Stoffe vorkommen.
Auch für den Arbeitsschutz sind die Stoffe dieser Gruppe im Regelfall vorteilhaft. Beachtlich ist jedoch die grundsätzliche Möglichkeit der Schimmelsporenbildung nach unsachgemäßer, d.h. zu feuchter und lang andauernder Lagerung.
Screening-Prüfung von EU-GRITS®
Den Problemkreisen der Gruppe entsprechend wurde das Material aus beiden angelieferten Mustern orientierenden Untersuchungen hinsichtlich Schimmelsporen, PAK und Pestiziden unterzogen.
Ergebnisse:
a) Die mikroskopische Prüfung ergab äußerst seltene einzelne Sporen, die keinerlei Probleme hinsichtlich Schimmelsporen für den Arbeitsschutz erwarten lassen.
b) Das Screening auf PAK und Pestizide erfolgte mit Hilfe der Dünnschicht- Chromatographie (DC) in Anlehnung an DIN 38 409 H 13 , jedoch mit Silberbehandlung (Indikation der Reaktivität).
Dabei wird auf Vertreter der besonders toxischen Schadstoffgruppen (Chloraromaten / PCP, PAK, Organophosphate) überprüft. Das Verfahren macht in einem Schritt die meisten gefährlichen Fremdstoffe (ausgenommen sehr leichtflüchtige Stoffe und die seltenen Zinnverbindungen) nachweisbar; Phenole werden auch als Phenolate wie Na-PCP erfasst. Als Trennplatte wurde eine Eigenfertigung nach den Vorgaben des Schweizer Lebensmittelbuches (für Lindau-Tests) verwendet. Die Funktion des Tests wird durch parallele Analyse einer Probe von 1 pg PCP-Na sichergestellt.
Bei dieser Analyse wurde als einziger Fremdstoff in beiden Proben eine geringe Spur (unter 1 mg/kg) einer schwach polaren Chlorverbindung gefunden, bei der es sich mit größter Wahrscheinlichkeit um ein Herbizid handelt. PAK, Organophosphate oder andere im Test reaktive Spuren waren nicht feststellbar.
Im Hinblick auf die Verbreitung derartiger Stoffe in Lebensmitteln und anderen Naturstoffen können die untersuchten Proben als nahezu unbelastet eingestuft werden.
Zusammenfassende Bewertung
Das Material EU-GRITS® zeigt für Ölbindemittel sehr hohe Umweltverträglichkeit bei Verwendung im vom Hersteller empfohlenen Bereich auf Böden.
Ein Belassen von Resten auf natürlichen Böden kann als unbedenklich gelten, da sämtliche Rückstände biologisch leicht abbaubar sind. Dies gilt auch im Hinblick auf geringe Spuren an Pflanzenschutzmitteln, die in den Proben gefunden wurden, weil sich diese quantitativ im Bereich der für Lebensmittel geeigneten Mengen befinden. Das Produkt kann in dieser Hinsicht nur durch Verwendung von Material aus dem biologischen Landbau noch weiter verbessert werden.
Für den Einsatz auf Gewässern oder in deren unmittelbarem Zulaufbereich ist das Mittel (wie fast alle der Klasse III zugeordneten Mittel) wegen des möglichen Eintrags leicht abbaubarer Eluate nicht geeignet.
Es handelt sich um ein Nebenprodukt eines nachwachsenden Rohstoffes. Im Vergleich zu anderen Ölbindemitteln zeichnet sich das Material daher durch besonders gute Eigenschaften hinsichtlich Energiebilanz und Klimaeffekten sowie Ressourcenschonung aus.
Bezüglich weiterführender Literatur verweisen wir auf die vom Umweltbundesamt und der DWA herausgegebenen Schriften.
Freiburg, 29. September 2007
Freiburger Institut für Umweltchemie e.V.
i.A. Brabenec.
Dipl.-Chem. H.-D. Stürmer